Fragen der Bürgerinitiative Medienstadt an den Direktkandidatinnen und Kandidaten für die Landtagswahl zur Entwicklung des Stadtgebietes Babelsberg-Medienstadt
07.09.2024
Antworten von Manja Schüle, SPD
- Ich lebe selbst seit vielen Jahren in Babelsberg und liebe meinen Kiez in seiner Vielfalt. Ich begrüße alles, was dazu beiträgt, dass auch die Medienstadt ein zu Hause für Menschen unterschiedlichster Herkunft, Genrationen, sozialen Lage, Berufe, politischer oder sonstiger Einstellung bleibt. Potsdam insgesamt ist als Wohn- und Arbeitsort attraktiv und wächst weiter. Dieses Wachstum muss behutsam gesteuert werden und darf weder ausufern, noch diejenigen überfordern, die bereits hier leben. Dazu gehört, dass auch die soziale Infrastruktur, dass Kitas und Schulen, Sport- und Spielplätze mitwachsen, wo neue Wohnflächen entstehen, dass auch die Versorgungsinfrastruktur mitwachsen kann, wo neue Arbeitsräume gebaut werden. Das braucht Zeit und die sollten sich auch alle Beteiligten nehmen. So begrüßenswert neue Arbeitsplätze auch sind, dürfen sie nicht im „Boom-Tempo“ geschaffen werden. Vor allem bin ich ganz entschieden dagegen, durch Neues das zu verdrängen, was in vielen Jahren und Jahrzehnten in unserem Kiez entstanden und gewachsen ist.
- Wie ich schon zur ersten Frage ausführte, würden wir als Stadtgesellschaft in keinem generationengerechten und vielfältigen Umfeld mehr leben können, wenn nicht auch diese Grün- und Freiflächen mitwachsen könnten. Das ist eine Herausforderung, weil ja kein Quadratmeter hinzugefügt werden kann. Vielmehr müssen die verfügbaren Flächen intelligent genutzt werden, in dem zum Beispiel dort, wo es möglich und vertretbar ist, niedrigere Gebäude aufgestockt werden oder Brachflächen zu echten Grün- und Freiflächen umgewandelt werden. Potsdam hat bereits einen hervorragenden ÖPNV und so kann weitgehend auf das Auto als Fortbewegungsmittel verzichtet werden. Aber besser geht immer. Ich würde es begrüßen, man würde über die Verlängerung der Tramstrecken und Lückenschlüsse im Straßenbahnnetz nachdenken. Taktungen von Bussen und Trams können noch verdichtet und aufeinander abgestimmt werden usw.
- Nicht nur in der Medienbranche erleben wir eine immer stärkere Digitalisierung auch unserer Arbeitswelt. Das bringt die Chance mit sich, verstärkt im Homeoffice zu arbeiten und Emissionen des Arbeitsweges zu vermeiden. Das führt sicher auch dazu, dass bestehende Gewerbeflächen im Medienbereich nicht überlastet werden und über die Maßen wachsen müssen, selbst dann, wenn die Unternehmen und Beschäftigtenzahlen wachsen, was ich Ihnen schon aus wirtschafts- und finanzpolitischen Gründen wünsche. Babelsberg ist Film- und Medienstadt und ich wünsche mir, dass Babelsberg dieses Markenzeichen bewahrt. Allerdings zeigt eine stärkere Diversifizierung der Branchen eine sehr viel bessere Resilienz bei Krisen. Mit anderen Worten: auf die Mischung kommt es an. Medienunternehmen sollten bei uns genau so ihren Platz finden und behalten wie andere Unternehmen und Arbeitgeber. Sollte es in einer Branche kriseln, können dies andere Wirtschaftszweige unter Umständen kompensieren.
- Ich kenne wie Sie bislang nur ungefähre Ideen und Vorstellungen über die Entwicklung einiger Bauprojekte. Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Auch hier gilt all das, was ich bereits vorangestellt habe. Wachstum ist grundsätzlich nichts schlimmes. Es braucht nur seine Zeit. Im Lateinischen sagt man „festina lente“, was wir im Deutschen mit „Eile mit Weile“ übersetzt haben. Das Bauplanungsrecht sieht bereits eine Beteiligung der betroffenen Bürgerinnen und Bürger vor. Anhörungen, die Offenlegung von Planungsunterlagen und auch Bürgerversammlungen gehören dazu. Ich wünschte mir, dass die zuständigen Ausschüsse der Stadtverordnetenversammlung und die SVV selbst in all ihren Entscheidungen nicht nur transparent arbeiten, sondern auch rechtzeitig ankündigen, welche Entscheidungsprozesse in welchem zeitlichen Rahmen stattfinden. Dazu gehört auch die Anhörung der Menschen, die von den Konsequenzen der Entscheidungen betroffen sind und zwar unabhängig davon, wie nah oder fern der nächste Wahltermin ist. Ich könnte mir vorstellen, dass es Bürgerbefragungen gibt, die den Entscheidungsträgern als Richtschnur und Orientierung dienen.
Antworten von Isabelle Vandre, Linksfraktion
- Als Linke wollen wir, dass Babelsberg und die Medienstadt ein Wohn- und Lebensumfeld mit hoher Lebensqualität und Raum für die Bedürfnisse der Anwohner:innen ist. Das muss sich unseres Erachtens nach in der Wohnbebauung, dem Wegesystem und Flächen zur Freizeit- und Erholungsgestaltung wiederspiegeln. Der Medienstandort mit seiner gewerblichen Nutzung einerseits, aber auch der angrenzende Campus der Universität Potsdam müssen sich hier gut einfügen. Großprojekte, die den Charakter des Wohn- und Lebensumfeldes so massiv beeinträchtigen und dauerhaft verändern, wie die jetzigen Planungen, lehnen wir ab.
- Potsdam ist eine wachsende Stadt, in der überall Flächenkonflikte entstehen und Raum für Freizeitgestaltung, zur Erholung oder zum Spielen fehlt. Das ist bereits heute und in nahezu allen Stadtgebieten der Fall. Als Linke streiten wir für eine Stadtentwicklung, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert und nicht davor zurückschreckt Investoren klare Grenzen aufzuweisen. Projekte, die einer behutsamen und vor allem sozialverträglichen Entwicklung im Einklang mit den Zielen des Klimaschutzes entgegenlaufen, sind schlicht abzulehnen. Unser Credo lautet: sozialer Wohnungsbau, soziale Infrastruktur und Grünflächen haben immer Vorrang!
- Es ist richtig, dass wir gerade einen Umbruch in der Medienbranche erleben. Dieser Umbruch verändert jedoch vorrangig die Art der Medien, die und wie wir sie konsumieren. Kommunikation über Medien nimmt sogar eher zu. Die Frage ist also, welche Rolle spielt der traditionsreiche Medienstandort Babelsberg zukünftig im Zeitalter der Digitalisierung? Ich wünsche mir, dass der Medienstandort im Zusammenwirken zwischen Stadt, Filmuniversität, Filmmuseum aber auch den Medienunternehmen und der Uni Potsdam weiter gestärkt und so entwickelt wird, dass er für den Wandel der Medienbranche gut gewappnet ist. Einen allgemeinen Bürostandort, der dieses Alleinstellungsmerkmal verwässert, fände ich sehr schade.
- Als Linke standen wir dem Projekt des Turmbaus von Anfang an sehr kritisch gegenüber und haben die Petition „Stoppt den Turmbau“ unterstützt. Die Positionen unserer Stadtverordneten finden Sie hier: Stellungnahmen: Stoppt den Turmbau in der Medienstadt – für eine maßvolle Bebauung von Potsdam-Babelsberg! – Online-Petition (openpetition.de)
Auf Grund der massiven, zu erwartenden Einschnitte für die Anwohner:innen haben wir von Beginn an eine Bürger:innenbeteiligung eingefordert. Immer wieder haben wir jedoch Kritik an dem Prozess wahrgenommen u.a. weil die Möglichkeit des tatsächlichen Einflusses als sehr gering wahrgenommen wurde. Wir denken: Bürger:innenbeteiligung ist nur dann erfolgreich, wenn die Ideen und Positionen von Bürger:innen Eingang in den Prozess finde und berücksichtigt werden. Notwendig ist es dafür zudem, dass Beteiligungsprozesse durch die Kommunen organisiert werden, statt in der Hand der Investoren zu liegen. Um sich voll einbringen zu können brauchen die beteiligten Akteure natürlich auch eine vollumfängliche Transparenz über die Planungen und die ihnen zu Grunde liegenden Daten. Alls das ist aus unserer Sicht im Beteiligungsprozess zu dem aktuellen Bauvorhaben nicht eingehalten worden und der Prozess damit gescheitert.
Antworten von Eike Böhm, FDP
- Ich wünsche mir die Entwicklung hin zu einem lebendigen und lebenswerten Stadteil mit einer vielfältigen und heterogenen Wirtschaftsstruktur. Großprojekte bergen immer die Gefahr von Einseitigkeit und können notwendigen Strukturwandel verhindern, müssen dies aber nicht.
- Die Lebendigkeit eines Stadtteils beinhaltet immer auch Mobilität und Freizeitflächen / -einrichtungen. Bei kluger und pragmatischer Planung und Umsetzung lassen sich Konflikte vermeiden, wenn ergebnisoffen, transparent und unideologisch vorgegangen wird.
- Am Ende entscheident die Nachfrage nach Medien-Dienstleistungen über die Zukunft der Medienunternehmen in Potsdam. Es kommt auf deren Wettbewerbsfähigkeit in den entsprechenden Märkten an. Diese gilt es zu fördern. Ein allgemeiner Bürostandort mit dauerhaft hohen Leerständen macht wenig Sinn, deshalb hat sich der Bau von Büroflächen ebenfalls am Markt zu orientieren.
- Die Bürgerbeteiligung bei der Weiterentwicklung der Potsdamer Innenstadt erfolgte seinerzeit über das sog. „Werkstatt-Konzept“. Ein derartiges Vorgehen mit entsprechenden Vorlaufzeiten ist erfolgsversprechend, wenn sichergestellt ist, dass alle relevanten Gruppen auch rechtzeitig eingeladen werden. Ein solches Vorgehen wird von mir prinzipiell unterstützt.
Antworten von Marie Schäffer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
- Ich, als auch die grüne Stadtfraktion, sehen das Potential für eine Weiterentwicklung der Medienstadt insgesamt. Es ist aber wichtig, dass dies funktional und städtebaulich in einem verträglichen Maß stattfindet. Aus diesem Grunde ist das Media-City-Projekt von Beginn an kritisch zu sehen. Die Mitwirkung eines bedeutenden Architekten wie Daniel Libeskind konnte nicht über die städtebaulichen Mängel hinwegtäuschen: Das Projekt war überdimensioniert, der Bezug zur Medienstadt war weder funktional noch städtebaulich ablesbar, die Verdichtung geradezu absolut, dass aus der Dimension resultierende Verkehrsaufkommen zu hoch.
- Es sollte eine geringere Dichte angestrebt werden, soweit es die bereits planungsrechtlich gesicherten Verhältnisse, die nicht unerheblich sind, zulassen. Den Ansatz, Grün- und Freizeitflächen zu schaffen, begrüße ich ausdrücklich.
- Ein Rückgang der Medienbranche wäre für diesen Standort ein äußerst tiefgreifender Verlust, sowohl für Potsdam als auch das Land Brandenburg. Es sollten alle Anstrengungen unternommen werden, um diesen traditionsreichen und zugleich innovativen Standort zu halten. Dafür möchte ich mich auf Landesebene energisch einsetzen.
- Die grüne Stadtfraktion hat sich bereits für ein Werkstattverfahren für die „Media-City“ eingesetzt, an dem auch die BI beteiligt ist. Da das Projekt derzeit offenbar ruht, ist die zweite Werkstatt zu Verkehrsplanung bisher unterblieben. Das Ziel ist, mögliche Ergebnisse der Werkstätten, so sie denn die Zustimmung der Stadtverordneten finden, in einem Bebauungsplan-Verfahren einer öffentlichen Beteiligung zu unterziehen. Was in diesem Fall nicht nur die Auslegung, sondern ebenso öffentliche Veranstaltungen umfassen sollte. Auch wird die Stadtfraktion weiterhin Rederechte der BI in den entsprechenden Fachausschüssen unterstützen. Die anderen derzeit im Entstehen begriffenen Projekte beruhen auf bereits bestehenden B-Plan-Festsetzungen früherer Verfahren, auf die aus rechtlichen Gründen seitens der Politik kein Einfluss genommen werden kann.
05.01.2023 – Zusammenstellung Einwendungen zur Auslegung des Bebauungsplans 119
14.12.2022 – Stellungnahme der BI Medienstadt zum Libeskind-Projekt (2. Werkstatttermin)
20.06.2022 – Stellungnahme der BI Medienstadt zum Bebauungsplan 119 „Medienstadt“
10.06.2022 – Stellungnahme der BI Medienstadt zum Bebauungsplan 119 „Medienstadt“ (Kurzfassung)
22.12.2021 – Stellungnahme zum Vorhaben der KW-Development in der Medienstadt